Krista-Marija Läbe, 25, ist als Kind aus der Ukraine nach Deutschland gekommen. Sie hat Management studiert und arbeitet ehrenamtlich als Sprecherin des Vereins Vitsche. Die rund 30 Aktivisten von Vitsche kümmern sich seit dem Einmarsch der russischen Armee in ihre Heimat Ukraine um geflüchtete Landsleute und organisieren regelmäßig Proteste für mehr Unterstützung des Landes – kurz nach Kriegsbeginn kamen mehrere Tausend Menschen.
SZ: Der Verein Vitsche hat am vergangenen Sonntag zu Protesten gegen die Aufnahme russischer Kriegsdienstverweigerer aufgerufen. Aus welchem Grund?
Krista-Marija Läbe: Als ich gelesen habe, dass Deutschland alle Russen aufnehmen will, die das Land verlassen wollen, da habe ich erst mal Angst bekommen. Das liegt an den Erfahrungen, die man als ukrainische Aktivistin selbst in Deutschland seit dem Einmarsch der Russen macht.
Was meinen Sie?
Es gibt über die sozialen Medien jede Menge Hetze der russischen Community in Deutschland gegen Geflüchtete aus der Ukraine. Bei einer Kollegin aus dem Vorstand von Vitsche standen kürzlich Männer vor der Tür, die Russisch gesprochen haben, bei anderen Aktivistinnen ist sogar eingebrochen worden.
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Krista-Marija Läbe, Sprecherin des Vereins Vitsche, in dem sich junge Ukrainer treffen.
(Foto: Jan Heidtmann)
Das klingt bedrohlich. Dennoch gilt in Deutschland das Grundrecht auf Asyl für politisch Verfolgte.
Abgesehen davon, dass Kriegsdienstverweigerer nicht zwangsläufig politisch verfolgt werden: Wir wollen nicht das Grundrecht auf Asyl neu schreiben, wir protestieren, weil wir persönlich betroffen sind. In den Wochen nach Beginn der Invasion war die Stimmung hier in Berlin, wo die meisten Flüchtlinge aus der Ukraine angekommen sind, zwischen den Communities ziemlich angespannt. Das ist besser geworden. Aber die Vorstellung, dass da nun Russen kommen, die monatelang kein Problem mit dem Krieg ihres Landes hatten, macht vielen Ukrainern hier Angst. Besonders den Frauen, die hier allein oder mit ihren Kindern sind.
Als Soldaten wäre das Leben dieser Russen ähnlich gefährdet wie das eines Ukrainers an der Front.
Ich finde, es macht schon einen Unterschied, ob dir dein Haus zerbombt und dir deine ganze Existenz genommen wird. Oder ob du zu den Angreifern zählst. Da würde ich mir auch eine klarere Haltung der deutschen Politik wünschen. Die baltischen Länder sind da sehr eindeutig. Die haben alle Grenzen nach Russland dichtgemacht.
Das ist eine harte Haltung, die auch mit der Geschichte dieser Länder zu tun hat. Es könnte außerdem sein, dass unter den Fliehenden auch Menschen sind, die den russischen Feldzug ablehnen.
Ich denke, wer wirklich gegen diesen Krieg ist, hat das Land entweder längst verlassen oder sitzt im Gefängnis. Diejenigen, die jetzt fliehen, gehören eher zum Mittelstand. Denen ist das, was in der Ukraine passiert, weitgehend egal. Sie wollen vor allem ihre Haut retten.
Auf der Grundlage dieser Vermutung kann man kein Grundrecht aushebeln.
Das wollen wir auch nicht. Wir wollen nur, dass nicht jeder russische Kriegsdienstverweigerer automatisch als politischer Flüchtling angesehen wird. Wir wollen, dass das genau geprüft wird. Und natürlich soll jeder, der sich gegen das russische Regime stellt, hier aufgenommen werden. Es darf nur keine pauschale Lösung geben.
Was werden Sie tun, wenn die Politik anders entscheidet?
Wir werden uns dann sehr dafür einsetzen, dass ukrainische und russische Geflüchtete nicht gemeinsam untergebracht werden. Und wir werden alle Übergriffe genau dokumentieren.